Elfie Kapeller
Menschenbilder - Mannsbilder - Weibsbilder. Juni 2011


Titel:
Do we really have a theory of mind?
Technik:
Installation.Collage, Übermalung, Papierschnitt, Fotografie.
Kunstdrucke (Plakat, Postkarte, Bilderrahmen), Polaroidfotos, gerahmter Spiegel, Abfallkarton, Dispersionsfarbe vermischt mit Eierschalen auf Leinwand

Beschreibung:

Ich habe ein etwa zwanzig Jahre altes und schon etwas mitgenommenes Plakat des Kunsthistorischen Museums in Wien, auf dem ein Gemälde aus dem Besitz des Museums abgedruckt ist, – das Porträt des venezianischen Bildhauers Alessandro Vittoria, gemalt ca. 1560/65 von Giovanni Battista Moroni aus Bergamo – als Ausgangspunkt für meine Auseinandersetzung mit dem Bild des Menschen allgemein und dem Künstlerporträt im speziellen gewählt, weil es für mich eine ganz besondere Bedeutung hat. 1990 habe ich meine erste größere wissenschaftliche Arbeit darüber verfasst – im Vergleich mit dem nur wenige Jahre später von Tizian gemalten Porträt des Jacopo Strada, der als Kunstsammler- und Händler, kaiserlicher Antiquarius, Maler, Architekt, Goldschmied, Münz- und Sprachforscher dem typischen Bild eines Universalgenies der Renaissance entsprach. Beiden Darstellungen gemeinsam ist, dass es „Berufsporträts“ sind und dass dem Betrachter antike Plastiken präsentiert werden, allerdings mit einer völlig gegensätzlichen Attitüde.
 

So wie ich damals das Bild als Kunsthistorikerin analysiert habe, habe ich jetzt als Künstlerin das alte Plakat in sechs Teile zerlegt, es teilweise mit Ölfarbe übermalt, sodass von der Schrift, mit der zu einer Veranstaltung des Museums eingeladen wurde, „SCHULE DES SEHENS“ „KUNSTHISTORISCHES MUSEUM WIEN, JEDEN DIENSTAG 19.00 UHR“ nur mehr ganz programmatisch „ES SEHEN“ und „KUNST IST JEDEN TAG“ übrig blieb. Gleichzeitig habe ich damit den kommerziellen Kunstdruck wieder ein Stück in Richtung Kunstwerk zurückgeführt und auch eine Art „Restaurierung“ unternommen.

Die Einzelteile habe ich auf Karton geklebt, wobei ich das Porträt des Künstlers als Brustbild mit einem einem anderen Druck entnommenen Goldrahmen vom Rest des Bildes isoliert habe,  und schließlich die weiße Beschichtung vom Karton abgelöst, sodass der Bildgrund eine durchscheinende, an Textiles erinnernde Struktur bekommen hat.

 

Nachdem das Gemälde vom Museum als Werbeträger verwendet wurde, habe ich es nun für mich vereinnahmt, was sich auch darin äußert, dass ich das Logo des KHM rechts unten durch meine eigene Signatur ersetzt habe. Darüber erscheint in einem „Fenster“ die Vergleichsabbildung – das Tizian-Gemälde im Postkartenformat. Eingearbeitet habe ich auch mein Selbstporträt – acht Polaroid-Fotos von meinem Gesicht, aufgenommen mit einer alten Polaroid-Kamara in meiner Wohnung ohne Blitz an acht aufeinanderfolgenden Tagen, vom 11. bis zum 18. November 2003, das sich als Leporello oberhalb der Schrift „Kunst ist jeden Tag“ „entfaltet“. Integriert in meine Installation ist aber auch das Selbstbildnis des Betrachters, das im Spiegel unterhalb der Schrift „Es sehen“ erscheinen kann.

 

Das semi-transparente Relief im Vordergrund, das wie ein Vorhang wirkt, ist Barriere und Einstieg zugleich. Es zieht die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich, ermöglicht aber auch einen Durchblick auf das eigentliche Zentrum der Installation, - die weiße, mit zerkleinerten Eierschalen reliefartig strukturierte Leinwand im Hintergrund, die als Projektionsfläche für das eigene Menschenbild bzw. das eigene Bild, das sich der Betrachter vom Künstler macht, dienen soll. Dort erscheint gewissermaßen das virtuelle Porträt, das in der Vorstellung des jeweiligen Betrachters entstehen mag.

 

Analyse/Synthese:

Die Verwendung von Abfallmaterialien und das Recycling von „Altstoffen“, wozu im weitesten Sinn auch die Bilder der Vergangenheit gehören, entspricht meinem Arbeitskonzept, das ich ansatzweise bereits in „Allgemeines zu meiner Arbeit“ für die Ausstellung im Juni 2005 im 1blick beschrieben habe.

Sehr explizit ist in dieser Arbeit die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit formuliert, - mit der Geschichte von Künstlern, Bildern und Bildtypen, die auch meine eigene Vergangenheit als Kunsthistorikerin einschließt, denn seit 2003 gehört mein Hauptinteresse der eigenen künstlerischen Arbeit, nachdem ich mich 15 Jahre lang fast ausschließlich mit der Geschichte der Kunst beschäftigte. Wie die Renaissance-Künstler die Antiken studierten und so wie Alessandro Vittoria den antiken Torso vorweist, wie um seine eigene Arbeit zu kommentieren, so habe ich das Porträt des Renaissance-Malers vom Renaissance Bildhauer studiert – und weise es nun vor, um damit etwas über meine eigene Arbeit auszusagen, auch wenn ich das Bild der Vergangenheit quasi auflöse um es transparent zu machen, damit es den Blick freigibt auf das zukünftige, projizierte und projektierte Bild. Der Faktor Zeit spielt also eine wichtige Rolle, wie sich auch an den Polaroid-Selbstbildnissen ablesen lässt, in denen man so etwas wie die Dokumentation meiner eigenen „Wiedergeburt“ als Künstlerin sehen könnte.

Ich habe für meine Installation einen englischen Titel gewählt, weil der Ausdruck „Mind“ umfassender ist als der deutsche Begriff „Geist“. „Mind“ kann im Englischen „Sinn, Gemüt, Herz, Seele, Verstand, Geist“ bedeuten. Auch der Titel „Do we really have a theory of mind“ ist mehrdeutig. Zum einen stellt er die Frage, ob wir tatsächlich erkennen können, was in einem anderen Menschen vorgeht, wer er ist und welche Gedanken, Gefühle und Absichten er hat. Würde sich das Porträt Alessandro Vittorias auf das Brustbild beschränken, könnte man nicht erraten, dass es sich um die Darstellung eines Künstlers handelt und sein Gesichtsausdruck wäre indifferent. Erst im Zusammenhang mit der dargestellten Tätigkeit des Künstlers können wir ihn interpretieren, das heißt, wir greifen auf unsere eigenen Erfahrungen und/oder Vorstellungen zurück, die wir auf den Dargestellten projizieren. Andererseits impliziert der Titel auch die Frage, ob der Mensch tatsächlich in der Lage ist, seine eigene Existenz zu erfassen, oder gar, sich selbst (neu) zu erschaffen wie Pygmalion seine Statue (Genmanipulation, Auslese bei künstlicher Befruchtung, Klonen).

Würde sich Pygmalion dann  in das Wesen verlieben, das er geformt hat und würde Venus da sein, um es zum Leben zu erwecken? Oder wäre er dann wie Narziß, der sich in sein Spiegelbild verliebt und schließlich darin ertrinkt?

Bio:
Khuenburggasse 2/1
5400 Hallein
Tel.: 0650/4711 333

geb. in Braunau/OÖ

Aktzeichnen in Hallein (Tennengauer Kunstkreis)
„Schule des Sehens“ in Tuscania/Italien
Hochschule Mozarteum, Salzburg (Bildhauerei, Textiles Gestalten)
Diplomstudium, Doktoratsstudium Kunstgeschichte, Universität Wien
seit 2003 lebe und arbeite ich freiberuflich als bildende Künstlerin in Hallein bei Salzburg (Objekte, Installationen, Collagen, Reliefs)

Ausstellungen:

1985                           Kulturhaus Weiz/Stmk
1985 + 1986                Jahresausstellungen Tennengauer Kunstkreis
2003/04                      Jahresausstellung Salzburger Kunstverein „Prototypen“
2004                           Galerie im Alcatraz, Int. Sommerakademie, Alte Saline, Hallein
21./22.5.2005              „Offene Ateliers in Stadt und Land Salzburg“ (Atelierführer)
Juni 2005                     Galerie „Einblick“, Hallein
2005/06                       Jahresausstellung Salzburger Kunstverein
Juni 2011                     Galerie „Einblick“, Hallein

1blick Ausstellung 2005